Sächsischer Mt. Everest Treppenmarathon

Die Spitzhaustreppe in Radebeul, von Daniel Pöppelmann für August dem Starken geplant und 1747-1750 gebaut, hat 397 Stufen, überwindet einen Höhenunterschied von ca. 87 Metern und verbindet das Weingut Hoflößnitz mit dem Spitzhaus und dem Bismarckturm.

Beim Mt.-Everest Treppenmarathon, der seit 2005 jedes Jahr im April stattfindet, wird die Treppe 100mal gelaufen – das sind 39.700 Stufen runter↓, 39.700 Stufen rauf↑, in Summe 8.848 Höhenmeter bzw. 84,390 Kilometer in der Distanz.

Ich war schon oft da, konnte mir aber nie vorstellen die 100 Runden runter und wieder hoch zu laufen. Mein Credo war immer – ich muss nicht alles mitmachen und DAS tust du NIEMALS.

Wie das mit den „Vorsätzen“ aber immer so ist, irgendwann werden die über den Haufen geworfen und im letzten Jahr hatte sich die Idee in meinen Kopf festgesetzt es doch mal zu versuchen. Also hab ich mich im Oktober angemeldet – mit dem Ziel mal gucken wie weit ich komme.

Nach der ersten Trainingsrunde im Dezember war ich mir gar nicht mehr sicher ob die Idee so gut war. Mit jedem Training (1-2 x pro Woche für 0,5-3,5 Stunden) aber haben sich die Treppe und ich immer mehr angefreundet. Am Ende summierte sich das Treppentraining auf 189 Runden in 36:14 Stunden. Dresden hat mit der Plattleite in Loschwitz und der Waldschlößchenbrücke ein paar alternative Trainingsmöglichkeiten, die ich auch genutzt habe. Ich vertraute auf meine Erfahrung der letzten 20 Trainingsjahre und entschied – das muss reichen.

Training ist die eine Seite, der Wettkampf dann aber die andere. Du kannst super vorbereitet sein und trotzdem muss an dem Tag alles passen. Mein Ziel war die 100 Runden ohne Pause durchzulaufen, einen Plan B hatte ich aber auch. Ich guck wie weit es geht und wenn es nicht funktioniert geht die Welt nicht unter, ich muss mir nichts beweisen. Mit dem Gedanken im Kopf konnte ich mit der aufkommenden Aufregung ganz gut umgehen.

Samstag 13Uhr holte mich Jens ab und wir fuhren zusammen zum Spitzhaus. Dort war schon viel los und wir suchten uns eine Liege im Basislager, die Torsten schon für uns reserviert hatte.

Die Ernährung ist eine meiner ständigen Baustellen bei Wettkämpfen. Was letzten Monat funktioniert hat, kann heute schon wieder ganz anders sein – mein Magen ist da sehr sensibel. Also wieder Ernährung ausschließlich flüssig solange es geht – dazu kamen Pellkartoffeln, Wassermelone, Haferschleim und Cola.

Noch mal eine kurze Abstimmung mit Kerstin, meiner Supporterin für die nächsten 24 Stunden, ein Startfoto mit allen Alleingängern und schon gings los.

Im Training hatte sich herausgestellt, dass ich mit einer Rundenzeit von ca. 11 Minuten mein Wohlfühltempo gefunden hatte und damit auch genug Luft nach oben war, um im Zeitlimit zu bleiben. Mein Plan war so lange wie möglich dieses Tempo zu halten, immer ausreichend zu essen und trinken. Das hat auch super funktioniert – bis zur Runde 38.

Plötzlich machten beide Oberschenkel gleichzeitig zu. Der Schmerz ließ sich nur kurz wegdehnen, sodass ich immer nur eine Stufe gehen konnte und wieder dehnen musste. Oben an der Wende schickte mich Kerstin in`s Zelt zu den Physiotherapeuten – das war ne klare Ansage. Ich war schon so im Tunnel, dass ich alleine nie auf diese Idee gekommen wäre. Die Mädels haben sich dann 60!!! Minuten sehr intensiv mit meinen Oberschenkeln beschäftigt und ich konnte schmerzfrei weiterlaufen. Wenn das schief gegangen wäre hätte ich austeigen müssen. Für euren Support muss ich einfach nur DANKE sagen.

Ab jetzt lief die Angst vorm nächsten Krampf immer mit und ich entschied mich langsamer zu laufen und die Wendeschleifen zu gehen. Wenn ich es hinkriege die Rundenzeit bei ungefähr 14 Minuten zu halten, bleiben die Krämpfe aus und das Ziel zu finishen sollte machbar sein.

Das Wetter war mit Sicherheit auch die Ursache meiner Krämpfe. Ich hatte zwar schon 3 Laufshirts, Funktionsunterwäsche, die Regenjacke (die die Nässe super abhielt) und dicke Handschuhe an, aber ich bin halt `ne Frostbeule und mir wurde nicht wirklich wärmer. Es gab zwar einen wunderschönen Sonnenuntergang – aber es war kalt, es schneite, hagelte und regnete. Die Sonne kam erst wieder nachdem alles vorbei war.

Irgendwie hab ich es geschafft meine Gedanken ganz weit weg von der Treppe zu führen. An NICHTS denken und einfach „nur“ Laufen – das krieg ich mittlerweile ganz gut hin.

Gegen morgen holte mich das laute Vogelgezwitscher beim THW an der unteren Wende in die Realität zurück – für die Vögel war die Nacht auch vorbei und es wurde hell. Ich hatte die Nacht ohne Probleme überstanden, hatte keine Ahnung in welcher Runde ich gerade war und musste erst mal auf dem Bildschirm den aktuellen Status abfragen.

Die Anzeige meiner Uhr gibt mir die Sicherheit – ich werde keine 24 Stunden für die 100 Runden brauchen. Den letzten Wettkampf bin ich ohne Uhr gelaufen, aber hier ist  wichtig dass ich die dabei habe, vorallem für den Kopf. Auch das sie durchhält und nicht unterwegs wegen schlechter Akkuleistung abschaltet. Aber die lag bei meiner Polar Vantage V immer noch bei 60% und sollte bis zum Finish (und länger) auch durchhalten. Die Powerbank, die im Zelt lag, brauchte ich nicht.

Jetzt ging dann doch das Rechnen los – ich hatte keine Schmerzen, die Oberschenkel hielten und ich fühlte mich gut. Die Rundenzeiten lagen konstant um die 14 Minuten und wenn nichts mehr passiert sollte ich gegen 14.00 Uhr durch sein. Diese Sicherheit und die Stimmung an den Wendepunkten – Familie, Freunde und Besucher waren da – trieben mir, immer wenn ich oben oder unten am Wendepunkt ankam ein Grinsen in`s Gesicht.

Auf der letzten Runde bekam ich unten vor der Schleife von den Mädels den Kirschblütenzweig und die Medaille umgehängt. Erst jetzt war ich mir 100%ig  sicher dass nichts mehr passieren kann.

Der Zieleinlauf dauerte etwas länger, von jeder Stufe einzeln verabschieden, Hände abklatschen, Umarmungen und Küsschen waren jetzt wichtiger – ich war nach 84,39km auf 8848m Höhe angekommen – FINISH in 22:01:45h.

So richtig realisiert wie ich das durchgestanden habe, kann ich das immer noch nicht, bin aber unendlich stolz darauf diese Herausforderung gemeistert zu haben. Eine Triathlon Langdistanz ist einfacher 🙂

Das alles hätte ich nie geschafft

  • ohne meine Familie die mich – auch wenn sie nicht immer alles nachvollziehen kann und gut finden was ich so tue – immer und überall 100%ig unterstützt
  • ohne Kerstin, meine Supporterin – Du hast einen riesen Job gemacht
  • ohne Elli und Ute – irgendwas ist ja immer – ihr habt in der Vorbereitung mit euren goldenen Händen dafür gesorgt, dass meine Beine mich die 22 Stunden die Treppe hoch und wieder runter getragen haben
  • ohne die Physio von Animo Radebeul, die in der Nacht meinen Krämpfen keine Chance gegeben haben
  • ohne all die fleißigen Supporter, Helfer, und Motivatoren, das DRK und THW die zitternd und bibbernd an der Strecke standen – Katrin, Ines, Conny, Claudia, Birgit, Torsten, Thommy, Frank, Steven, …
  • Ulf und Peter ihr organisiert mit eurem Team eine Veranstaltung mit sehr viel Herzblut und Emotionen die einmalig ist

DANKE …

… und ich werde wieder zur Treppe kommen, ABER nur als Spaziergänger, Helfer, Supporter  –  VERSPROCHEN

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Über diesen Lauf und meine anderen Wettkämpfe vom Ultralauf bis zum Ironman erzähle ich gern in einem Vortrag. Dabei gebe ich auf sympathische und kompetente Weise einen Einblick in den Alltag eines ambitionierten Sportlers, Trainers und Organisators von Sportveranstaltungen. Spanne einen Bogen in das tägliche Arbeitsleben und gehe auf die Themen Zeitmanagement, Selbstorganisation, Motivation und “work life balance” ein. Für einen Termin schickt mir bitte einfach eine Anfrage über das Kontaktformular