2 Länder Ultra – der Lauf

Nachdem Hartmut Kohn im Februar 2012 seinen 100km Lauf von Dresden nach Görlitz erfolgreich gefinisht hatte, fragte er mich ob ich mir vorstellen könnte die Strecke von Theresienstadt nach Dresden mit ihm gemeinsam zu laufen. Ich sagte zu und erklärte mich bereit, ihn sportlich mit Trainingsplänen und organisatorisch mit Kontakten und Tipps zu unterstützen.

Hartmut entwickelte einen Plan 100km zu laufen und dabei Gutes zu tun. Durch die Streckenführung werden zwei Städte miteinander verbunden, die auf unterschiedliche Weise die Schrecken des Krieges erlebten. Mit diesem Lauf wollen wir an die im Zweiten Weltkrieg deportierten Juden und die Bombardierung Dresdens erinnern und den Spendenaufruf des Freundeskreis Dresdner Synagoge e.V. unterstützen  –  mit dem der Wiederaufbau des jüdischen Friedhofs in Teplice-Sobedruhy (Tschechien) finanziert werden soll, auf dem auch Dresdner Juden begraben wurden.

Nach 9 Monaten Vorbereitungszeit war es dann soweit  –  am 12.2.2013 standen Hartmut Kohn, Henry Wehder, Ulf Kühne, Olaf Holz, Sebastian Schliwa, Ingolf Löhne und ich  –  gemeinsam mit unseren Helfern Karin Nitsche, Michaela Kohn, Swen Nitsche, Roland Kohn, den 2 Sanitätern Holger und Mario vom DRK Freital und 3 Autos auf dem Marktplatz von Theresienstadt und starten in das Abenteuer 2Länder Ultra.

Das Verstauen der Taschen und Verpflegung dauerte doch länger als geplant und so geht es 5:10Uhr, bei 0°C und sternenklarem Himmel auf die Strecke. Geplant war bei einem Tempo von 7:00 bis 7:30Minuten pro Kilometer zusammen zu bleiben und aller 6-8Kilometer Verpflegungspausen einzulegen. Mit einer Pace von teilwiese unter 5:30Minuten pro Kilometer laufen wir natürlich viel zu schnell los und kriegen es bis zur Grenze auch nicht hin das Tempo zu reduzieren  –  wir werden sehn ob das gut geht.

Bei der Dunkelheit auf den ersten 30km bis Usti gilt es im Licht der Strinlampen dem Vordermann zu folgen und keine Unebenheit zu übersehen. Klappt natürlich auch nicht ganz und kurz vor Usti beim kurzen Blick nach hinten find ich mich auf dem Fußweg liegend wieder. Es ist aber nichts passiert, ich übersteh den Sturz ohne eine Schramme und kann locker weiter laufen.

In  Usti verabschieden wir uns von der Elbe und laufen die nächsten 20km bis zur Grenze stetig bergan. Zum Glück kommt vor diesem Anstieg ja noch einmal ein Verpflegungsstopp  –  so war das zumindest geplant. Allerdings wollte das Navi unserer Helfer die kurze Strecke nach Dresden fahren und wir mussten 12km ohne Verpflegung auskommen. Rechtzeitig vor Beginn der Bergetappe war unser Supportteam aber wieder bei uns und der Verpflegungsstopp wurde nachgeholt.

Wie ernährt man sich bei so einem Rennen? Da gibt es kein Patentrezept, jeder muss für sich herausfinden was ihm bekommt. Der Körper ist damit beschäftigt die notwendige Energie in die Beine zu bringen und hat keine Zeit sich um so simple Sachen wie die Ernährung zu kümmern. Aber ohne Energiezufuhr würden wir diese Distanzen nicht überstehen, also sollte dieser Punkt auch Inhalt eines Trainingsplanes sein. Konnte ich vor 10Jahren während eines Marathons noch unbedenklich jede halbe Stunde ein Gel und/oder einen Riegel zu mir nehmen, komm ich jetzt mit einem Schluck Iso, Wasser aller 5km und maximal einem Gel aller 20km aus  –  wenn ich mehr zu mir nehme sind Magenkrämpfe vorprogrammiert. Bei Triathlon Halb- und Langdistanzen heißt es auf dem Rad Riegel essen bis nix mehr (rein)geht und beim Laufen auch wieder nur Wasser, Iso aller 5km und Gel aller 20km. Dieses Konzept versuch ich auch hier umzusetzen und komme so mit Tee, Iso, Wasser, EINEM Riegel und Gel über die Distanz. Die Frage ist auch immer, bleibt man am Verpflegungspunkt stehen oder ist es sinnvoller während des Essens weiter zu laufen oder zu gehen. Bei Henry’s Frühstück im Hotel gab es z.B. 4 Brotscheiben, 1 Brötchen und 1,2l Tee und damit hat er bis etwa km50 keine weitere Nahrung zu sich nehmen müssen. Danach hat er das gegessen, was unser Helfer-Team dabei hatte und das waren dann 1,5 Bananen, 2 kleine Päckchen mit Salzgebäck und ca. 1,5l Tee bzw. Wasser. Auf so natürliche Weise hat er sich übrigens auch bei beiden Transeuropaläufen ernährt. Er verzichtet bei seinen sportlichen Aktivitäten gänzlich auf Energie-Riegel oder -Gels und Spezialtrinkmischungen mit dabei künstlich zugeführten Eiweisen, Mineralien oder Vitaminen. Mit diesem Konzept musste er auch nicht bei den Verpflegungsstopps anhalten und ist ohne zu stoppen weiter gelaufen, bis wir ihn wieder eingeholt haben. Damit umgeht er auch die Herausforderung, nach jedem Stopp wieder in’s Laufen zu kommen. Je länger die Distanz wird, umso schwerer fällt das Wiederloslaufen. Diese Abläufe und die Ernährung gehören deshalb auch in einen Trainingsplan und werden während solcher Läufe auch zum Ritual. Diese Rituale wiederum sind wichtig für den Kopf, denn der ist zu 90% für Erfolg oder Misserfolg solcher Projekte zuständig.

Mit jedem Höhenmeter kamen wir nicht nur der Grenze, sondern auch dem Winter näher. Hatte ich in Usti noch geplant die dicken Handshuhe gegen dünnere zu tauschen und ein oder zwei T-Shirts auszuziehen, hatte sich das Thema bei Km50 auf dem Erzgebirgskamm und mit dem „Wintereinbruch“ erledigt. In Petrovice empfing uns Andre Goldbach, der uns mit leichtem Schneefall und ca. 3cm Neuschnee im Gepäck, entgegen gelaufen kam.

Kurz hinter der Grenze und eine Stunde vor der geplanten Zeit empfing uns Antje Blankertz-Teichert, die die 42km bis Dresden mitlaufen wollte. Hartmuts Kinder, mit den Großeltern und die versprochenen zwei Polizeiautos mit ACHT!!! Polizisten vervollständigten das Empfangskomitee auf deutschem Boden. Eingerahmt von Polizei und Blaulicht ging`s bei zunehmendem Schneetreiben nun bergab nach Pirna. Wer denkt dass der Weg bergab einfacher wird  –  der irrt. Die Belastung der Oberschenkel und Knie beim bergab laufen kann nach 77Kilometern zu einer großen Herausforderung werden  –  Hartmut bekam das ab Ortseingang Pirna ganz persönlich zu spüren.

Auf den letzten 23 Kilometern ab Pirna begleiten uns Katrin Jeschke, Tina Kühne, Jens Matthias, Peter Fritsche und weitere 10 Läufer vom Dresden Marathonverein, vom LSV Dresden und der Laufgruppe Dresden. Da uns ab hier nur noch ein Polizeiauto begleitet, laufen wir nicht mehr auf der Straße und müssen den Fußweg nutzen.

Die Strecke führt durch Heidenau und vorbei an der Staatsoperette in Leuben geht es Richtung Tolkewitz  –  wieder zur  Elbe, die wir in Usti verlassen hatten. Am letzten Verpflegungsstopp auf Höhe des Tolkewitzer Friedhofs kommen weitere 5 Läufer dazu, die uns auf den letzten Kilometern begleiten wollen. Hartmut muss richtig kämpfen  –  seine Oberschenkel machen dicht  –  motivieren kann ihn jetzt nur seine Tochter Leonie. Sie nimmt ihn an die Hand und läuft mit ihm zusammen Richtung Ziel zum Terrassenufer.

Ab Pirna sind wir dann doch bei unserer geplanten Pace von 7:30Minuten pro Kilometer angekommen und liegen am Blauen Wunder wieder im Zeitplan. Unter der Carolabrücke warten die Mitglieder des Freundeskreis Dresdner Synagoge e.V., stecken uns die weiße Rose  – das Symbol des Dresdner Gedenkens an den 13. Februar  –  an die Laufshirts und wir laufen alle zusammen die letzten 500 Meter ins Ziel.

Nach 98,45km –  ein paar Meter haben dann doch gefehlt  –  und einer Zeit von 12:42:10h (die reine Laufzeit lag bei 10:04:05h) erreichen wir den Theaterkahn. Hier bereiten uns unsere Helfer, Freunde, Bekannte, Sponsoren, Vertreter der Jüdischen Gemeinde Dresden und Hartmuts Kollegen vom Kahnaletto einen grandiosen Empfang.

In der Bar im Restaurant Kahnaletto gibt es für uns nach einer warmen Dusche ein kleines Buffett. Bei einen Glas Rotwein oder Bier diskutieren wir die ersten Eindrücke, brauchen aber sicher noch ein paar Tage um das Erlebte zu verarbeiten 🙂

Ein großes Dankeschön geht an unsere Helfer Michaela, Karin, Swen, Roland, den Rettungssanitätern Holger und Mario und den Polizisten um Herrn Lindenberger.  Ihr habt einen super Job gemacht und großen Anteil am Erfolg dieses Projekts  –  ohne euch wären wir nie in Dresden angekommen. Danke auch nochmal an alle Läufer, die uns auf der Strecke durch ihre Anwesenheit die Motivation gegeben haben diese fast 100km durchzustehen und natürlich an alle Sponsoren und Unterstützer  –  DANKE!!!!

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